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Schwubile öffnet sich, CSD feiert sich

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Während man in Griechenland am Sonntag mehrheitlich „Nein“ gesagt hat, erstrahlte Köln am selben Tag in einem regenbogenfarbenen „Ja“. Ja zur Vielfalt, ja zur Homo-Ehe und ja zu einer ausgelassenen Sause mit Conchita Wurst – der größte Christopher Street Day (CSD) in der Rhein-Metropole aller Zeiten setzte darauf, alle mitzunehmen: Szene und Mainstream. Dazu passend hat auch das Schwubile-Referat an der Universität Duisburg-Essen seine Interessengruppe vergangene Woche vergrößert. Nun sollen auch Trans* und Inter*sexuelle Menschen mit repräsentiert werden.

Bislang setzte sich das Autonome Referat qua Satzung für Schwule, Bisexuelle und Lesben ein. In einer Vollversammlung wurde diese nun angepasst. Auch für die Belange von Studierenden, die sich als trans* und intersexuell verstehen, will sich das Schwubile nun einsetzen. Dirk Sindram, von der Arbeitsgruppe zur Satzungsänderung, kommentiert die Entscheidung ganz pragmatisch: „Ein komplett neues Referat für Trans*- und Inter*menschen aus dem Boden zu stampfen wäre aufwändig und sehr mühsam gewesen“. Auch ohne offizielle Erwähnung der Interessengruppe in der Satzung hätte sein Referat in den vergangenen Jahren bereits sehr breit Aufklärungsarbeit betrieben.

Keine Mehrheit für Hobit

Zudem wurde sich gegen eine Aufnahme des Begriffs „queer“ in den Rechtstext ausgesprochen. Unter queer könnte man im Prinzip alles bezeichnen, was von der Norm abweiche. Dies sei aber rechtlich zu schwammig, erklärt Dirk Sindram und fügt an: „Der Begriff queer hätte definiert werden müssen, um zu klären, welche Studierende wahlberechtigt sind und welche nicht.“ Auch über eine Namensänderung wurde abgestimmt. Vorschläge wie „Hobit“, „Schwubileti“ oder „buntes Referat“ fanden aber keine Mehrheit.

Das Referat reagiert damit insgesamt vergleichsweise spät auf eine in den letzten Jahren lebhaft geführte Debatte. Insbesondere aus der queer-feministischen Bewegung gab es seit Beginn des neuen Jahrtausends vermehrt Kritik an einer Arbeit, welche die spezifischen Ausprägungen der Diskriminierungserfahrungen nicht berücksichtige. Heißt: Beispielsweise die doppelte Benachteiligung von Migrant*innen, die homosexuell oder transsexuell empfinden. Die Debatte gipfelte unter anderem in einem Paukenschlag von der Ikone der Bewegung und Gender-Theoretikerin Judith Butler. Diese lehnte beim Berliner CSD 2010 einen Preis für Zivilcourage aus ebendiesen Gründen ab. Sie warf den Veranstalter*innen vor, sich zu sehr am Kommerz und am Mainstream zu orientieren.

Feiern mit der Wurst

Eine Kritik, die aus ihrem Blickwinkel auch beim diesjährigen CSD in Köln zugetroffen hätte, dem größten aller Zeiten in der Domstadt. Die Wagenparade bildete so ziemlich jede Facette ab: Zwischen Fetisch-Club und Sparkasse, zwischen Amnesty und der Jungen Union und schlussendlich musikalisch zwischen Techno und deutschem Schlager. Es kommt Volksfestatmosphäre auf, als sich die 20.000 Teilnehmer*innen von den offiziell geschätzten 80.000 Zuschauer*innen bejubeln lassen. Eine einzige rauschende Party, bei der jede*r etwas zu feiern hat. Die Einen die scheinbar fast vollständig erwirkte Gleichberechtigung und die Anderen ihre Toleranz. Wäre da nicht Conchita Wurst.

Die österreichische Kunstfigur gewann im vergangenen Jahr den Eurovision Song Contest und eröffnete auf der Rheinbrücke um Punkt zwölf die Parade. Minuten zuvor hatte Wurst noch gemahnt: „Wir in Mitteleuropa können den CSD noch einfach feiern. In anderen Ländern ist er ein Schrei nach Gleichberechtigung wie zuletzt in Istanbul“. Dort hatte die Polizei den Gay Pride gewaltsam aufgelöst. Mit ihr teilte sich Kölns Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes die Bühne und konnte nur zustimmen. „Da wurde die Würde von Menschen mit Füßen getreten“, kritisierte die SPD-Politikerin.

Roth darf nicht rauf

So etwas hätte sicherlich auch Grünen-Evergreen Claudia Roth gesagt, hätte man sie gelassen. Im Herbst wird in der Rhein-Metropole gewählt und so wollte die erste Bürgerin der Stadt die Bühne ganz für sich allein haben, für die „Bilder die um die Welt gehen werden“ (Scho-Antwerpes). Bilder, auf denen sich auch Roth gerne gesehen hätte. „Doch die hat keinen anderen da rauf gelassen“, mokierte Roth, stehend auf einer Ebene mit den gemeinen Teilnehmer*innen vor der Bühne.

Ihr Statement ohne das Blitzen und Blinken der Kameras: „Es darf gefeiert werden, aber nur Party ist auch nicht gut. Auch bei uns gibt es noch viel zu tun“. Derweil setzte sich der Tross schon in Bewegung und feierte vor allem sich selbst und eine einzige große Party – Butler wäre es ein Graus gewesen. Unter dem diesjährigen Motto „Vielfalt: lehren, lernen, leben“ wurde zwar auch die Gleichberechtigung von Transsexuellen, Transgendern und Intersexuellen von Seiten der Veranstalter*innen gefordert, die Polarisierung der eigenen Toleranz gegenüber den rückschrittigen „Anderen“ funktioniert aber auch fünf Jahre nach Judith Butlers Preisablehnung noch blendend. Neben Istanbul musste auch die Intoleranz Russlands oder Saudi-Arabiens in zahlreichen Statements dafür herhalten. In Köln beschlich einen das Gefühl, ist die Homo-Ehe erst mal erstritten, bleibt nicht mehr viel, wofür es in der Bundesrepublik zu kämpfen gilt. Und das darf schließlich auch ausgelassen gefeiert werden. CSD in Köln, das ist schlicht eine richtig gute Feier!

Nur bei Claudia Roth wollte sich unmittelbar nach dem Start noch keine richtige Party-Stimmung einstellen. Dabei liegt ihr letzter großer Auftritt mit Bildern, die zumindest ansatzweise um die Welt gingen, noch gar nicht so lange zurück. Anfang des Jahres besuchte sie das iranische Regime in Teheran. Die dortigen Chancen eines CSD dürften dabei außen vor geblieben sein.


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